Eine der großartigsten Segelyachten wird stolze 90 Jahre alt: die Sea Cloud. Wie würde die erste Eignerin der legendären Vier-Mast-Bark den 90. Geburtstag der Sea Cloud feiern? Und was hat eben diese Dame, Marjorie Merriweather Post, mit Donald Trump zu tun? Zum Geburtstag haben wir uns den Besonderheiten dieses Traumschiffes gewidmet, die wir bereits vor einigen Jahren auf einer Seereise mit dieser einmaligen Yacht erleben durften.
Zum 90. Geburtstag ein Präsentkorb mit Rotbäckchen-Saft und Süßigkeiten für Diabetiker? Ein warmer Händedruck des Bürgermeisters und das war es? Auf gar keinen Fall! Wenn die US-amerikanische Multimillionärin Marjorie Merriweather Post den 90. Geburtstag ihrer Segelyacht Sea Cloud hätte planen können, wären in diesem Moment Hunderte von Menschen mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Die Lady von Welt würde vielleicht gerade die speziell für diesen Anlass bei Cartier angefertigten Juwelen zusammen mit ihrem Ballkleid anprobieren. Alle 72 Crewmitglieder würden neue Uniformen bekommen. Und ihr Head-Butler Gus Moding würde hektisch telefonieren, damit das Porzellan und die Dekoration für den Afternoon High Tea und die Party pünktlich ankommen.
Die Queen der High-Society in den Roaring Twenties
Wenn Marjorie ein festliches Dinner vorbereitete, wurde nichts dem Zufall überlassen: Die Servierplatten mussten perfekt poliert sein. Die Tischhöhen wurden mit dem Zollstock millimetergenau ausgerichtet. Damit die Gedecke perfekt präsentiert wurden, fertigte Marjorie Schablonen für alle Einzelteile an – von den Speisetellern über Servietten und Silber bis hin zu den Kerzenhaltern und der Tischdekoration. Und da sie für ihr Leben gerne tanzte – vor allem Tango – hätte sie bestimmt eine freie Tanzfläche auf dem Lido Deck eingerichtet.
Marjorie Merriweather Posts Feste waren legendär. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Edward (Ned) Hutton verkörperte sie in den „roaring“ 1920er-Jahren das Power-Paar der High-Society. Ihr Leben war eine Abfolge von Partys, Reisen und dem Planen, Bauen und Einrichten von herrschaftlichen Anwesen. Und die Lady hatte stets eine Vision davon, wie die Dinge sein und getan werden sollten.
und ihr Ehemann Edward „Ned“ Hutton.
der goldenen 1920er-Jahre.
Luxus Segelyacht für eine perfektionistische Planerin
Nach der Fertigstellung ihrer 118-Zimmer Villa Mar-a-Lago auf Palm Beach war Marjorie hocherfreut, als Ned ihr 1928 den Vorschlag machte, eine luxuriöse Segelyacht bauen zu lassen. 1929 mietete sie unbeeindruckt vom großen Börsenkrach eine Lagerhalle in New York für den Bau der Sea Cloud an. Kreidestriche auf dem Boden skizzierten die Umrisse des eleganten Schiffsrumpfes. Und aus einer Vision wurde langsam Wirklichkeit.
Innerhalb von zwei Jahren suchte sie die passenden Möbel für alle Kabinen und ordnete sie maßstabsgetreu auf den Holzplanken an. Vor allem auf die Eignerkabine – die Kabine Nr. 1 – legte sie besonderen Wert. Noch heute fühlen Besucher sich in dieser Kabine wie in einer Miniaturversion eine Schlosses. Alles ist in Weiß und Gold gehalten, Marmorkamine und goldene Wasserhähne runden das luxuriöse Bild ab.
Ein Tanzsaal zum Nähen der Segel
Die technischen Details überließ sie ihrem Ehemann, der durch den Bau von vier Yachten bereits über viel Erfahrung verfügte. Allein bei einer „Kleinigkeit“ setzte sich Marjorie durch: Nicht drei, sondern vier Masten musste das Schiff haben, sollte es doch die beeindruckendste private Segelyacht der 1930er-Jahre werden. Mangels eines geeigneten, großen Raumes mietete die Segelmacherei kurzerhand einen Tanzsaal, um die Segel für die Sea Cloud zuschneiden und vernähen zu können. Mussten doch immerhin 3328 Quadratmeter Segelfläche für die Bark geschneidert werden.
Mit der Planung beauftragte Ned das renommierte New Yorker Konstruktionsbüro Gibbs & Cox. Gebaut wurde die Sea Cloud jedoch von der Fried. Krupp Germaniawerft in Kiel. 1931, nach zwei Jahren Bauzeit, rutschte der schwarze Rumpf der Millionärsyacht unter dem Namen „Hussar“ ins Wasser. Diesen Namen sollte die Segelyacht für die nächsten Jahre noch behalten. Als Marjorie das Schiff zum ersten Mal besuchte, war sie begeistert: „Noch bevor wie sie sehen konnten, sahen wir die hohen Masten und die Takelage. Ein großer Kick! Sie hat all unsere Erwartungen erfüllt.“
Schon damals ein Segelschiff mit Hybridantrieb
Neben der gigantischen Segelfläche verfügte die Sea Cloud schon damals über eine Hilfsantrieb mit einer dieselelektrischen Anlage. Den Strom erzeugten vier kompressorlose Viertakt-Krupp-Dieselmotoren, die über sechs Zylinder eine Leistung von je 800 effektiven Pferdestärken entwickeln. Den eigentlichen Antrieb übernahmen zwei Elektromotoren mit etwa 2700 effektiven Pferdestärken Leistung, die dem Schiff eine Geschwindigkeit von etwa 14 Knoten verliehen.
Ein Schiff für die Glamourwelt
Marjorie legen großen Wert auf eine vorzeigbare, gepflegte Mannschaft. In maßgeschneidertem Navy Look waren alle Beschäftigten der Sea Cloud standesgemäß gekleidet für jeden Landgang. Wenn die Jungs dabei mal in eine Schlägerei verwickelt worden sind, ersetzte Marjorie die zu Schaden gekommenen Kleidungsstücke anstandslos. Marjories Ehemann Ned Hutton soll sich bei solchen Vorfällen stets erkundigt haben, ob seine Mannschaft die Oberhand behalten hatte. Wurde dies bestätigt, dann soll der passionierte Sportsmann sich sogar löblich geäußert haben.
Zwischen 1932 und 1935 waren Marjorie und Ned bis zu neun Monate pro Jahr mit der Sea Cloud auf Reisen. Sie empfingen und bewirteten prominente Gäste aus Hochadel, Film und aus Geschäftswelt der an Bord. Ihre beliebten Segel-Revieren waren die Karibik, Hawaii, Galapagos und auch das Mittelmeer (Monaco).
Schwierige Jahre mit vielen Änderungen für die Segellegende
Als die Ehe mit Ned in die Brüche ging, krempelte Marjorie ihr Leben um. Nichts sollte sie mehr an den Ex-Mann erinnern. Aus der schwarzen Hussar wurde die weiße Sea Cloud und auch ein ansehnlicher Teil der Inneneinrichtung wurde ersetzt. Im Ersten Weltkrieg trug die Segellady hingegen Grau und wurde zu einem Aufklärungsschiff. Nach dem Krieg verkaufte Marjorie das teure Spielzeug an den dominikanischen Diktator Trujillo, der an Bord wilde Partys mit Hollywoods Elite feierte.
Renaissance als Hamburger Lady
Nach dem Ende Trujillos geriet das Schiff in Vergessenheit, bis es Anfang der 70er-Jahre von einer engagierten Gruppe Hamburger Reeder gerettet wurde. Das Schiff war in einem so schlechten Zustand, dass es nur dank des unermüdlichem Engagements des engagierten Kapitäns Hartmut Paschburg die Atlantiküberquerung überlebte. In Hamburg wurde die Segellegende mit viel Jubel begrüßt und auf Vordermann gebracht.
Die Eignerkabinen wurden originalgetreu restauriert, neue Aufbauten brachten Raum für zusätzliche Kabinen. Die Dieselmotoren wurden überholt, die Teakdecks erneuert und bei ihrem ersten offiziellen Auftritt zum 790. Hafengeburtstag war so mancher Schiffsliebhaber sicherlich hellauf begeistert.
Marjorie und Donald Trump
Aber zurück zu unserer Ausgangsfrage: Was hat Marjorie mit Donald Trump zu tun? Als New Yorker Bauunternehmer kaufte Trump 1985 das Luxusanwesen Mar-a-Lago zum Schnäppchenpreis von fünf Millionen US-Dollar. Er hatte über Strohmänner die Strandgrundstücke in der Reihe vor dem Grundstück erworben und drückte den Preis, indem er drohte, Mar-a-Lagos Meerblick zu verbauen.
Trump ließ das Gebäude aufwändig renovieren, und einen Teil des Geländes machte er 1995 zu seinem Privatclub. Nach seinem Antritt der Präsidentschaft 2017 erhöhte er den Aufnahmebeitrag von 100.000 US-Dollar auf 200.000 US-Dollar. Die Aufnahme in den in der Nähe liegenden Golfclub Mar-a-Lago kostet sogar eine Million Dollar. Lediglich ein Schachzug hätte Marjorie sicherlich gefallen: Trump ließ einen Ballsaal bauen, in dem von 2005 bis 2017 fast jedes Jahr der wohltätige „International Red Cross Ball“ stattfand.
Erleben Sie ein Stück Segelgeschichte bei einem Törn mit der Sea Cloud
Seit 1994 ist die Sea Cloud für Ihren Hauptanteilseigner Hermann Ebel unterwegs – die weiße Lady versprüht weiterhin den Charme der 1930er-Jahre und kreuzt mit bis zu 64 Passagieren durch die schönsten Segelreviere der Welt. Fasziniert von der Vergangenheit dieser Lady der Meere war ein Segeltörn mit der Sea Cloud für uns nur eine Frage der Zeit. 2012 hatten wir dann die einmalige Gelegenheit einige Tage an Bord zu verbringen und die Yacht auf der Reise von Cádiz zu den kanarischen Inseln zu genießen.
Noch heute wird die Vergangenheit lebendig, wenn sich beim wöchentlichen „Open House Cocktail“ die Türen zum Allerheiligsten an Bord der Sea Cloud öffnen: Festlich gekleidet und mit einem Glas Champagner in der Hand schreiten die Gäste beinahe ehrfürchtig über die dicken Teppiche des Hauptdecks. Marjories weißes Himmelbett in goldenem Ambiente wird kontrastiert von ruhigen Holztönen und Regency-Stil im Schlafgemach von Edward Hutton. Es ist, als wäre das Ehepaar nur mal kurz von Bord gegangen …
Marjories Ehemann Edward hätte sein ehemaliges Schlafzimmer im Regency Stil sicher gefallen.
Zu ihrem Jubiläum liegt die Sea Cloud vor Las Palmas vor Anker und kann aufgrund der COVID-Pandemie nur von einem rauschenden Fest zu ihrem 90. Geburtstag am 24. April 2021 träumen. Wir sind aber sicher, dass dieses schnellst möglich nachgeholt wird. Vielleicht ja mit Ihnen oder uns an Bord?
Fotoquellen: Titelbild + Beitragsbild 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 + 9 + 10 + 11 Sea Cloud Cruises | Beitragsbild 1 C. M. Stieglitz, World Telegram staff photographer – Library of Congress. New York World-Telegram & Sun Collection | Beitragsbild 2 Colerumbough/Wikipedia.com